Das ÖBV-Merkmalservice

Im Sommer 2019 startete die ÖBV eines ihrer bisher ambitioniertesten Projekte. Das Ziel: den gordischen Knoten rund um den österreichischen Merkmalserver zu lösen und somit eine gemeinsame Merkmalsplattform für alle am Bau Beteiligten zu schaffen – von den Auftraggebern bis hin zur Bauindustrie. Das Büro Acht. erstellte und testete in Zusammenarbeit mit der TU Wien einen Prototyp, welcher nun als Grundlage für ein weiterführendes FFG-Branchenforschungs-projekt dient. Nach einer grundlegenden Untersuchung von Arbeitsweisen in Bezug auf BIM, sowie nach der Evaluierung von Anforderungen wesentlicher Baubeteiligter (öffentliche Auftraggeber, Baufirmen, Planungsbüros) wurde auf Basis eines durch den ÖBV-Vorstand freigegebenen Konzeptes ein konkreter Prototyp (als Proof-of-Concept) entwickelt. Dabei wurde für den Prototyp anhand von Stahlbetonwänden sowie Eigenschaften, welche für die Beschreibung des Bauteils lt. der Leistungsbeschreibung Hochbau/Leistungsgruppe 7 erforderlich sind, beispielhaft ein digitaler Workflow programmiert:

Parameterdefinition

Jedes Unternehmen definiert über eine Weboberfläche die für den eigenen Workflow relevanten Bauteile sowie deren erforderliche Merkmale anlegen. Jedes Merkmal erhält eine physikalische Größe und bevorzugte Einheit. Wenn erforderlich können auch standardisierte Werte zugewiesen werden, wodurch in weiterer Folge Eingabefehler vermieden werden können.

Abbildung 1
Abb 1 Prototyp: Definition von Parametern

Firmenstandards und Parameternutzung

Die Summe der definierten Parameter bildet einen Firmenstandard. Allerdings können auch innerhalb einer Firma mehrere Standards parallel vorhanden geführt werden (z.B. verschiedene Abteilungen, Niederlassungen, Projektstandards). Über ein Plugin können die Parameter in die BIM-Software eingespielt und in der Planung verwendet werden. Im konkreten Fall wurde dies für Autodesk Revit realisiert, da dieses von den am Vorprojekt beteiligten Unternehmen am häufigsten verwendet wurde. Durch ein eigenes Fenster werden die vom eigenen Unternehmen definierten Parameter angezeigt, welche bei Änderungen des Standards aktualisiert werden können.

Abbildung 2
Abb 2 Verwendung der Parameter in Autodesk Revit

Abgleich von Firmenstandards

Im Sinne eines kontrollierten Datenaustausches und damit jedes Unternehmen das BIM-Modell mit seinen eigenen Standards sieht, ist es ein Abgleich der Firmenstandards notwendig. Die Weboberfläche ermöglicht den Abgleich von jeweils zwei Parametern bzw. Werten (Abbildung 3).

Abbildung 3
Abb 3 Prototyp: „Mapping“ zwischen Parameterdefinitionen

Übersetzung von Modellen

In der Weboberfläche werden lediglich Definitionen von Eigenschaften abgespeichert. Es wurde eine Desktopapplikation entwickelt, um die Übersetzung von Standards zu ermöglichen. Diese kann auf die abgeglichenen Firmenstandards zugreifen, und die Parameter der BIM-Modelle im IFC Format zwischen den Standards übersetzen. Sollte ein Parameter kein Pendant im anderen Standard haben, bliebe dieser unverändert.

Abbildung 4
Abb 4 Vergleich zwischen Standard A und B

Die durch den Prototyp veranschaulichte Vorgehensweise ermöglicht die automatisierte Weiterverarbeitbarkeit von Eigenschaften (Merkmalen) und Parametern im jeweils anderen Unternehmen, ohne dass eine Firma ihre interne Arbeitsweise dem Projekt/Auftraggeber/ nationalen Bezeichnungen anpassen muss. Somit ist kein Marktteilnehmer in seiner BIM-Entwicklung von anderen abhängig. Eine dokumentierte Zusammenarbeit in den Projekten ist Voraussetzung für eine schrittweise Normierung von benötigten Merkmalen. Weiters ist eine automatisierte Prüfung der Parameter einfacher möglich, da sich die Prüfregeln meist auf deren Bezeichnungen beziehen. Außerdem können sich BIM-Neulinge an etablierten Unternehmen bzw. Auftraggebern orientieren. Es gibt keine Kompetenzstreitigkeiten durch klare Selbstverantwortung der Unternehmen. Langfristig wird sich der am besten „vernetzte“ bzw. dokumentierte Standards(-Mix) durchsetzen. Die präsentierte Lösung ist von keinen Gremien abhängig. Die umfassende rasche Einsetzbarkeit wird höher priorisiert als eine Normierung der Bezeichnungen, die zu einem späteren Zeitpunkt während des Betriebes des Merkmalservices einfließt. Der Prototyp des Merkmalservices konnte die gesetzten Anforderungen erfüllen und den ÖBV-Vorstand davon überzeugen, dies in größerem Umfang im Rahmen eines weiteren Forschungsprojektes weiterzuführen., damit möglichst bald das ÖBV Merkmalservice marktreif umgesetzt und in der Praxis angewendet wird.